Erzbischof Antonij Ð

Persönliche Erfahrungen mit Erzbischof Johannes Maximovic
(Zum 25. Todestag des hl. Johannes Maximovic)



 

 

 

 

Mit freundlicher Genehmigung des Klosters des hl. Hiob von Počaev veröffentlicht.
Im Original erschienen in: Bote 1991, 6

Im Sommer dieses Jahres jährte sich der Todestag von Erzbischof Ioann (Maximoviç) zum 25. Mal. Aus diesem Anlaß fanden in San Francisco, wo dieser heiligmäßige Bischof unserer Kirche in der Krypta der Kathedrale begraben liegt, feierliche Gedenkgottesdienste statt, und es erschien eine Reihe von Veröffentlichungen über ihn. Wir drucken im Folgenden das vom jetzigen Erzbischof von San Francisco verfaßte Vorwort zu einem Buch mit Erinnerungen über den Erzbischof, Briefen, Predigten und Erlassen von ihm ab. Darauf folgen die Erinnerungen des Jordanviller Priestermönches Petr, der Erzbischof Ioann als Kind kannte und ihm bei den Gottesdiensten ministrierte. (Red.)

Meine persönlichen Erinnerungen an meine ersten Begegnungen mit Vladyka, d.h. anfangs noch mit dem Priestermönch Ioann, sind mit dem Milkovo Kloster verbunden, in dem dieser als erster von den Russen 1926 von dem Seligsten Metropoliten Antonij zum Mönch geweiht wurde.
Vater Ioann, der weiterhin in den Diensten von Metropolit Antonij stand, war damals Religionslehrer an einem serbischen Gymnasium; schon bald (wahrscheinlich noch vor seiner Zeit als Lehrer und Erzieher am Seminar von Bitola) wurde in Vladimirova in den Karpathen seine inspirierte, apologetische Broschüre “Die Verehrung der Mutter Gottes in der hl. Orthodoxen Kirche” gedruckt. Der Aufsatz wurde zuerst in einem Kalender mit der Signatur Priestermönch Ioann Maksimoviç, Mönch des Milkover Klosters zu Ehren der Einführung Mariae in den Tempel, Jugoslawien, 1928” gedruckt.
Ich las diesen Aufsatz im Milkovo Kloster, in das ich 1930 eintrat. Vater Ioann besuchte uns gelegentlich. Der Abt, Vater Amvrosij, schätzte ihn sehr und äußerte sich mit Bewunderung über seine Demut und Bereitwilligkeit, jeglichen Dienst gehorsamst zu erfüllen.
Ich erinnere mich gut daran, wie Bischof Tichon von San Francisco 1930 nach seiner Bischofsweihe zusammen mit Metropolit Antonij in Milkovo weilte. In jenen Tagen zelebrierte Priestermönch Ioann bei uns zusammen mit Diakon Savva Struve (später Archimandrit) die Liturgie, und damals weihte Metropolit Antonij auch unseren heutigen Erzbischof Antonji von Los Angeles, sowie den später im Rang eines Archimandriten in Mahopac verstorbenen Theophan und noch einen anderen zum Mönch. In jenem Jahr pflegte uns Vater Ioann bereits vom Bitola Seminar aus zu besuchen. Die Zöglinge dieses Seminars liebten ihren russischen Erzieher ganz besonders, sie waren voller Bewunderung für seine Askese und die väterliche Fürsorge, mit der er sie sogar, wenn sie schon schliefen, zuzudecken und zu segnen pflegte...
Damals wirkte Vladyka in der Eparchie des berühmten serbischen Hierarchen Nikolaj von Ochrid, des “Serbischen Chrysostomos”. Dieser in der ganzen orthodoxen Welt bekannte Hierarch schätzte Vladyka überaus, er schrieb Artikel über ihn, in denen er erwähnte, daß Vater Ioann bereits damals Kranke mit der Ikone des ehrwürdigen Naum von Ochrid zu besuchen pflegte, und viele Heilungen stattfanden...
Das Verhältnis von Vladyka Nikolaj zu Vater Ioann war besonders herzlich, rührend und schlicht. In der Folge gab Vladyka Nikolaj in der Reihe “Kleiner Missionar” ein Büchlein mit dem Titel “Vom Belgrader Zeitungsverkäufer zum chinesischen Bischof” heraus. Und einem serbischen Mädchen, das schriftlich angefragt hatte, warum es jetzt keine Heiligen mehr gäbe, antwortete Bischof Nikolaj “Töchterchen, es gibt einen”, wobei er sie auf das vorbildlich heilige Leben von Vladyka Ioann hinwies.
Gerade in diesen Tagen, in denen wir Vorbereitungen für den 25. Jahrestag des Ablebens unseres Vladyka treffen, wurde der Sarg mit den Überresten von Bischof Nikolaj aus Amerika nach Serbien überführt und dort feierlich von der serbischen Hierarchie, dem Klerus und Volk empfangen.
Nach dem Tod von Schema-Archimandrit Amvrosij vom Milkovo Kloster begann Vladyka Ioann auf Bitte des neuen Vorstehers, Material für eine Lebensbeschreibung zu sammeln. Als ich ihn aufsuchte, um ihm meine Erinnerungen über den Verstorbenen mitzuteilen, machte Vladyka einen übermüdeten Eindruck und hatte seinen Kopf auf den Tisch geneigt. “Ehrwürdiger Vladyka, Sie sind müde, ich komme später”, sagte ich. “Nein! Sie sagten, daß....” Vladyka hob den Kopf und wiederholte alles, was ich erzählt hatte. So erschien er auch auf den Sitzungen der Bischofssynode: übermüdet, als ob er am Einnicken wäre, aber - nein! Er hört alles und erfaßt genau den Kern der Sache.
Weiteres Material über Vater Amvrosij konnte er jedoch nicht mehr sammeln, weil er sich bereits nach Shanghai begeben mußte.
Woher schöpfte Vladyka Ioann solche Kräfte, daß er keine Bettruhe kannte, daß er zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit bar, Kranke zu besuchen, daß er stets alle zu trösten und zu erbauen vermochte und sogar oftmals das Unmögliche möglich machte?
Denn nicht wenige Leute wissen von Heilungen zu berichten oder darüber, wie Vladyka auf nicht geäußerte Gedanken antwortete. Natürlich besaß Vladyka diese gnadenreichen Kräfte, entsprechend dem Vorbild des Heiligen von Kronstadt, vorallem deshalb, weil er jeden Tag kommunizierte, und an Werktagen, wenn er selber zelebrierte, die hl. Mysterien sehr langsam konsumierte, wobei er noch lange im Altar blieb. Seine Gebete und Erlebnisse währenddessen sind ein großes Geheimnis, über das wir nichts zu auszusagen wagen und können.
Er besaß die Fähigkeit, fast immer gleichzeitig mit den Menschen, denen er zuhörte, und denen er half... und im Geist in Gemeinschaft mit den Heiligen zu sein. Der hl. Johannes von Kronstadt schreibt von sich, daß er sich stets bemühte, die Kanones des Heiligen, dem der Gottesdienst des jeweiligen Tages gewidmet ist, zu lesen. So führte auch Vladyka auf seinen Reisen einen ganzen Satz von gottesdienstlichen Büchern mit; wenn nötig, pflegte er auch aus dem Griechischen die speziellen Tropare an die Heiligen, die im kirchenslavischen Menäon nur allgemeine haben, zu übersetzen. Diese griechischen Menäen, die Vladyka ständig in Gebrauch hatte, befinden sich jetzt in der Bibliothek des Heiligen Dreifaltigkeitsklosters in Jordanville.
Eifrig und beharrlich bemühte sich Vladyka um die Klärung der Daten der Gedenktage jener orthodoxen Heiligen, die im Westen gewirkt hatten und die im orthodoxen Osten halb oder ganz in Vergessenheit geraten waren. Wir besitzen ein derartiges von ihm aufgestelltes Verzeichnis mit den Namen von neunzehn Gottgefälligen, die hauptsächlich in Frankreich und Irland gelebt hatten.
Keinem verweigerte er die Gebetsfürsprache, wie aus verschiedenen Zeugenberichten ersichtlich ist. Ich kenne einen Bischof, der sich sehr die Teilnahme von Vladyka Ioann bei seiner Ordination wünschte, aber leider weilte Vladyka gerade am anderen Ende Amerikas; am Tag der Weihe schrieb Vladyka ihm, daß er genau zu der Zeit, als das Sakrament vollzogen wurde, die bei der Bischofsordination üblichen Gebete für ihn emporgesandt hatte.
Und ein anderer Hierarch teilte uns den Gedanken mit, daß er an Hierarchen, die mit einem derartig universalen Geist am Leben aller anderen orthodoxen Völker und Kirchen teilnahmen, nur zwei kenne, nämlich Metropolit Antonij und unseren Erzbischof Ioann! Das stimmt tatsächlich. Mit Metropolit Antonij rechneten wie mit keinem sonst, die Oberhäupter aller orthodoxen Kirchen. Und auf Erzbischof Ioann bauten sowohl Franzosen als auch Holländer als auf denjenigen, der sie auf den rechten Weg bringen wird.
Wie der Leser merkt, sind für mich persönlich die Erinnerungen an Vladyka Ioann eng mit denen an Metropolit Antonij und das Milkovo Kloster mit seiner Seele, Vater Amvrosij, verbunden... Aber das geht nicht nur mir so! Da habe ich die Nr. 6, 7 und 8 der Zeitschrift “Heiliges Land”, Jahrgang 1935, vor mir liegen. Darin findet sich ein Artikel aus der Feder eines bekannten Kirchenmannes namens P.S. Lopuchin aus der Umgebung von Metropolit Antonij, der uns eine Inhaltsübersicht von dessen Predigten hinterlassen hat. Der Abriß trägt den Titel “Ein christlicher Held in der heutigen Zeit”. Im Laufe seiner Ausführungen teilt der Autor mit, daß er fast gleichzeitig drei Briefe erhalten hatte, die er auch anführt... “Aus Jerusalem sandten sie eine Postkarte von Vater Amvrosij und baten liebevoll darum, etwas über ihn zu schreiben.” Aus Polen schrieb man: “... wir waren in Poçaev. Dort herrscht genauso ein Geist entgegenkommender Liebe wie in Milkovo. Alle halten die Erinnerung an unseren Metropolit Antonij heilig. Und was besonders wichtig ist: viel mehr als über seine Gelehrsamkeit und seinen Verstand, spricht man über seine Aufrichtigkeit und Einfachkeit”.
Aus Charbin: “Zu uns kam Bischof Ioann von Shanghai. Fünf Tage war er hier, und ich folgte ihm auf Schritt und Tritt. An ihm ist etwas von dem, was mich am meisten in Jugoslawien beeindruckt hatte: in ihm ist der Geist Metropolit Antonijs und des Milkovo Kloster gegenwärtig. Dieselbe Aufrichtigkeit und Schlichtheit”.
Im selben Aufsatz gibt der Autor sein letztes Gespräch mit Vater Amvrosij wider, das in der Klinik, in die er kurz vor seinem Ableben eingeliefert wurde, stattgefunden hatte. Ich zitiere aus dem Gespräch: “Er (Vater Amvrosij), ließ erschöpft den Kopf hängen. Nach einer Pause lächelte er und fragte leise: ‘Haben Sie Großväterchen gesehen?’ (so bezeichnete er zuweilen liebevoll den Metropoliten). ‘Ja’. ‘Worüber wurde gesprochen?’. ‘Ich fragte ihn, wer ihm dem Geiste nach am nächsten stehe’. ‘Nun, das ist aber interessant’. ‘Er antwortete, Sie und Vater Ioann’. Vater Amvrosij hob den Kopf, öffnete weit die Augen, bekreuzigte sich und wollte etwas sagen, aber plötzlich fiel er auf das Kissen zurück und fing an zu schluchzen. Mein Gott, wie er weinte! Am nächsten Tag brachte man ihn zum Sterben nach Milkovo, und danach habe ich Batjuschka Amvrosij nicht mehr gesehen; so bewahre ich in meiner Erinnerung dieses Bild eines Mannes, der auf dem Totenbett aus Seligkeit über die geistige Einheit in Gott zu weinen begann” (damit endet der Aufsatz von P.S. Lopuchin).
Die Seligkeit geistiger Einheit!... Schenke Gott auch uns allen, diese Einheit zu empfinden, wenn wir jetzt am Grabmahl unseres so teuren Vladyka Ioann beten werden.
Möge uns Gott, auf unsere Gebete für unseren Vladyka hin, durch seine Fürbitte vor dem Thron Gottes, Wärme und die Kraft zur inneren Erneuerung gewähren. Für solch eine Neubelebung schenkt Gott den Menschen die Freude, von dem Wirken neuer Gottgefälliger zu hören und dabei ihre Kraft zu empfinden.
Bei Gott ist alles möglich (Mk 10, 27)! Viel vermag ja das anhaltende Gebet eines Gerechten (Jak 5, 16). Amen.
Erzbischof Antonij Ð